Einige Jahre beschäftige ich mich jetzt schon mit der
Naturfotografie. Anfangs habe ich für mich ganz alleine damit angefangen, ohne
mich in irgendwelchen Foren oder Online Galerien mit anderen auszutauschen.
Natürlich wurde das irgendwann langweilig, denn man will ja auch zeigen, was
man geleistet hat (oder nicht geleistet hat), sich austauschen oder einfach nur
mit Gleichgesinnten quatschen.
Also hatte ich mich dann in etlichen Foren und Communities
angemeldet. Sowohl in deutschsprachigen als auch in englischsprachigen, und ich
muss zugeben, anfangs hatte ich auch recht viel Spass dort. Das ich davon aber
fotografisch gesehen davon profitiert habe, glaube ich nicht, aber allein des
Spasses wegen hatte sich der Betritt schon gelohnt.
Je länger ich nun aber in diesen Foren und Communities
anwesend war, desto eigenartiger haben sich viele Mitglieder benommen. Anstatt
ihren eigenen Stil zu finden, tauchten immer mehr Namen von bekannten
Fotografen auf. Sätze wie : „Aber der hat doch gesagt.“ oder „Habt ihr schon
gesehen wie der jetzt fotografiert“ oder „Der und der schreibt jetzt über die
digitale Fotografie dies und das“ waren da fast täglich zu entdecken.
Die Idole waren gefunden, ihnen wurde gehuldigt –
göttergleich.
Manchmal kam man sich schon vor, als wäre man unter Groupies bei irgendeiner
Star-Suche Show, oder wie diese Shows auch alle heissen.
Und das eigenartige war, dass diese, ich nenne Sie im
folgenden jetzt mal Groupies, so ziemlich alles nacheiferten, was Ihre Idole
vorgaben. Sei es nun die Wahl des
Equipments, die Art zu fotografieren und so
weiter.
Es wurden teilweise Bilder gelobt, welche – mit Verlaub – einfach nur misslungen waren, sozusagen
grottenschlecht. Auch eine Phase gab es, in der es wohl als „in“ galt, Aufnahmen
mit extremer Bewegungsunschärfe zu machen, wahrscheinlich weil bei irgendeinem
Wettbewerb dann so ein Bild mal einen der oberen Preise gewonnen hat,
fotografiert natürlich von irgendeinem dieser Idole.
Da tauchten dann natürlich auch in den Foren viele dieser
misslungenen Schüsse auf, wahrscheinlich aus dem Archiv oder Mülleimer gekramt,
und jetzt als nonplusultra-Kunst dargestellt. Seinerzeit habe ich mich darüber
mächtig amüsiert, musste ein wenig an Lemminge denken, wie einer springt und
dann aber alle hinterher...
Kurz darauf war etwas anderes Thema Nummer eins. Die
Klassifizierung der Bilder in Wildlife, Wild And Controlled und Captive. An und
für sich eine gute Methode, um den Betrachtern vor Augen zu führen, wie in etwa ein Bild
entstanden ist, unter welchem Aufwand etc. .
Da diese Klassifizierung aber von
einem bekannten deutschen Naturfotografen kam, welcher ein Idol dieser Groupies unter vielen war,
wurde diese Klassifizierung natürlich todernst genommen.
Nichts gegen diese
Klassifizierung und auch nichts gegen den wirklich guten Naturfotografen, aber
was einige Groupies aus dieser Klassifizierung gemacht haben, ist einfach
unglaublich.
Da wurde seitenweise diskutiert, wie denn nun dieses oder jenes
Bild einzuordnen ist. Beispielsweise eine Mutter mit
Kind füttert
Spatzen im
Park, jemand fotografiert dann diese Szene. Ist es dann Wildlife, Wild And
Conrolled , oder was auch immer.
Wenn es jemand als Wildlife eingestellt hat,
wurde er förmlich niederdiskutiert, obwohl er die Tiere ja nicht bewusst fürs
Foto angefüttert hat, und die fütternden Menschen ja nun auch mit zur
„Stadtparknatur“ gehören. Eigentlich eine schöne Szene, wie die Natur sich dem
Menschen angepasst hat. Nur geniessen konnte die Szene auf dem Foto keiner, da
unter diesem Foto eigentlich nichts mehr zum Foto stand, sondern es nur noch um
diese Klassifizierung ging.
Ein ähnliches Beispiel war eine ellenlange Diskussion unter
einem Bild, welches einen
Spatz zeigte, der aber in einem Tierpark lebte (aber
nicht eingesperrt war). Ich glaube da hatte ich dann am meisten gelacht. Da
wurde doch tatsächlich darüber diskutiert, ob es denn nun als Captive
(Gefangen), Wild and Controlled oder als Wildlife einzuordnen ist.
Und diese Diskussionen tauchten nicht nur unter den Bildern auf, nein,
auch die Foren waren voll mit Threads über dieses Thema.
Zu einem Ergebnis ist man glaube ich nie gekommen, und
wahrscheinlich diskutieren Sie noch heute.
Wenn ich mich recht entsinne, zeigte der
Fotograf, der diese
Klassifizierung vorschlug, mal ein Bild, mit einem Storch, welcher auf einem
Trabbi als künstlicher Nesthalter brütete, und klassifizierte dieses Bild als
Wildlife. Groupies hätten dieses , wenn ein solches Bild in einer
Foto-Community oder einem Foto-Forum als Wildlife gezeigt worden wäre, mit Sicherheit
totdiskutiert, anstatt einfach das Bild zu geniessen.
Aber zum Glück ist dieses Thema mittlerweile wieder out und
wurde von anderen, noch viel wichtigeren Themen abgelöst.
Aber es geht weiter mit den Idolen. Da steigt nun ein
Profi-Naturfotograf auf Digitale SLR-Footgrafie um, weil die Technik
mittlerweile soweit ist, dass aus diesen digitalen Daten hochwertige Drucke
hergestellt werden können.
Nach kurzer Zeit, das Idol hat sich mittlerweile im
digitalen Bereich eingearbeitet, wahrscheinlich auch was die nachträgliche
Bildbearbeitung angeht, bietet dieses Idol einen Kurs zur Digitalen Fotografie
und zur Digitalen Dunkelkammer an. Bisher alles schön und gut, viele die
ebenfalls auf Digital umsteigen wollen, werden sich freuen und das Angebot sinnvoll nutzen können.
Was aber nun passiert, ist schon fast unglaublich - an
Dummheit kaum zu übertreffen.
Da gehen aus diesen Foren und Communities doch
tatsächlich Fotografen (ich müsste sie eigentlich wieder Groupies nennen) zu
diesem Kurs, obwohl diese schon wesentlich länger digital fotografieren als das
Idol selbst, wahrscheinlich sogar viel mehr Tricks der digitalen Nachbearbeitung
kennen und somit wesentlich bessere Endresultate aufweisen können als Ihr Idol.
Aber Ihr Idol bietet es an, und alle pilgern hin.
Ein Idol sagte einmal, das Stempeln im Bild (um kleine
Schönheitsfehler zu korrigieren) ja völlig legitim sein. Und schon stempelten
seine Jünger lustig in den Bildern herum, obwohl es vorher noch eine Todsünde
war. Ich glaube selbiges Idol hatte, bevor die digitale Dunkelkammer in sein Haus
kam, diese vorgehen noch stark kritisiert. Seine Jünger damals natürlich auch.
Aus Todsünde wurde Tugend.
Und dann sind da noch die, welche nur Fotos akzeptieren,
wenn Sie in genau dem Stil Ihres Idols gemacht worden sind, alle andere Fotos
„schlechtreden“ oder gar als „Nicht-Foto“ abstempeln. Rein dokumentarische
Fotografie ist für Sie überhaupt keine Fotografie.
Selber stellen diese Leute dann meist gar keine Bilder aus,
Fotografieren wahrscheinlich auch nicht.
Fazit dieses ganzen Idoltums :
Viele kupfern nur noch ab,
haben keinen eigenen Stil mehr, in den Foren geht es nicht mehr um das
Fotografieren an sich, sondern nur noch um das Nacheifern der Idole, um das
Nachplappern Ihrer Thesen. Die eigentliche Fotografie, der Spass am
Fotografieren, der Verbildlichung des eigenen Stils stehen ganz hinten an.
Schade...
Gerd Rossen
Artikel erschienen am 15.11.2007