Seit dem Jahr 2000 betreibe ich jetzt schon die Naturfotografie. Diese Website existiert seit Sommer 2002. In anderen Worten 20 Jahre Naturfotografie für mich und
in Kürze Volljährigkeit für diese Seite. Ich denke, es ist an der Zeit, mal ein paar Worte über die letzten 20 Jahre zu schreiben. Denn viel hat sich verändert, und damit
meine ich nicht nur die Kameratechnik. Nein, auch die Art wie und warum Naturfotografie betrieben wird, die dazugehörige
Bildbearbeitung und nicht zuletzt auch
die Art der Präsentation seiner Fotografien.
Vor 20 Jahren hätte man diese 3 Pilze noch mit weit geschlossener Blende aufgenommen, um alle 3 Pilze
möglichst scharf ins Bild zu bekommen - auch der Hintergrund wäre dann deutlich unruhiger geworden. Heutzutage werden vollautomatische Fokusreihen ( Fokusstacks ) erstellt, und dann mittels Software verrechnet. Für diese
Pilzgruppe wurden ca. 80 Fotos mit versetzter Schärfeebene verrechnet.
Anfangs - so um das Jahr 2000 herum - hatten die meisten Fotografen, welche ich in verschiedenen Online-Gruppen - unter anderem einer AOL Group - kennengelernt hatte, noch hauptsächlich für sich selbst fotografiert. Einfach aus Spaß an der Fotografie und wirklichem Interesse an der Natur. In diesen Gruppen diskutierte man dann über Kameras oder aber über bestimmte Tricks, um zu den gewünschten Aufnahmen zu kommen. Ab und an wurde dann auch mal das eine oder andere gute Bild gezeigt und besprochen.
Wenn das Wetter mal nicht fototauglich war, so schaute man sich die Websites der "Profis" an, die dort meist in sehr kleiner Auflösung Ihre Bilder zeigten und
mit etwas Glück noch den einen oder anderen Trick verrieten. Recht unterhaltsam fand ich damals immer die Seite von
Fritz Pölking. Seine Ausführungen zur Authentizität von Naturfotografien und seine Vorschläge zu deren Klassifizierung sollte eigentlich jeder einmal gelesen haben. Heute würde wahrscheinlich kaum noch ein Bild,
welches in einer der unzähligen Fotogruppen auf Facebook gepostet wird, die Voraussetzungen für die strengste Stufe seiner Klassifizierung, nämlich "Naturdokument - nicht arrangiert oder manipuliert" erfüllen. Denn heute geht es um Aufmerksamkeit - um (fast) jeden Preis. Es wird angefüttert, mit Vogelstimmen angelockt, die Natur wird arrangiert. Sie wird so dargestellt, wie man sie gerne hätte. Für das perfekte Foto. Die wirkliche, ursprüngliche Naturfotografie - wie sie
Fritz Pölking geliebt hat - ist vom Aussterben bedroht. Und sind wir mal ehrlich, würde ich solche "Naturdokumente" in Fotogruppen auf Facebook hochladen, würden sie nur müde belächelt werden, und untergehen in den
ganzen Bildern mit perfekt arrangiertem Vorder- und Hintergründen.
Sternmiere mit arrangiertem Vorder- und Hintergrund. Und das noch nicht einmal richtig gut ;-) Richtige Naturfotografie ist das eigentlich nicht mehr, denn mit der Realität hat die Aufnahme nicht mehr viel zu tun.
Aber wieder zurück in die 2000er. Neben den verschiedenen kleinen Gruppen, seien es jetzt Mailgroups oder kleinere Foren im Internet, kam etwas Neues in Deutschland. Die Fotocommunity - eine Internetplattform - wurde ins Leben gerufen von einem Hobbyfotografen - für Fotografen.
Zeit der Fotocommunities oder besser der Fotocommunity
In der Fotocommunity, auch kurz FC genannt, waren seinerzeit fast alle Hobby-Naturfotografen aus dem deutschsprachigen Raum anwesend. Die Profis hingegen blieben der Fotocommunity aber zumindest damals meist fern. Für die Hobbyfotografen war die Fotocommunity eine große Bereicherung. Endlich konnte man seine Bilder einem etwas breiterem Publikum mit ähnlichen Interessen präsentieren. Es wurden
Bilder mehr oder weniger sachlich diskutiert, es wurde gestritten, es wurde sich versöhnt, es wurden Treffen arrangiert. In den Anfangszeiten war es wirklich eine
schöne Zeit. Trotz vieler Hobby-Naturfotografen in der Fotocommunity, war es immer noch eine übersichtliche Menge , so dass in den ersten Jahren eigentlich jeder jeden irgendwann auf
irgendeinem Treffen kennengelernt hatte. Mich ausgeschlossen, ich war schon immer der absolute Außenseiter und Eremit... Und irgendwie wohl auch Misantroph.
Aber auch ich habe von den anderen Fotografen dort gelernt und wohl auch der eine oder andere von mir...
Zeit der privaten Homepages
Neben der Fotocommunity hatte aber damals fast ein jeder Hobbyfotograf seine eigene Website. Und das fand ich eigentlich noch viel spannender als die ganzen Foren und Fotocommunities. Neben den vielen Bildern auf Ihren Websites lernte man auch viel über die Personen hinter den Bildern kennen. Und viele teilten neben Ihren Bildern auch
unglaublich viel Fachwissen mit der Welt. Ich konnte ganze Abende damit verbringen, mich durch die ganzen mehr oder weniger gut designten, manchmal auch wild in allen
Farben blinkenden, Internetseiten zu wühlen. Und programmierte dann meine eigene, die als eine der wenigen Websites von damals immer noch regelmäßig aktualisiert wird - beziehungsweise überhaupt noch existent ist. Tja, so altmodisch bin ich. Ich habe noch eine Website. Und sogar noch eine selbst programmierte....
Noch ohne viel Aufwand fotografiert. Ohne Anlocken mit Futter oder Gesang. Einfach beim Beobachten aus riesiger Entfernung durch
ein Fernrohr fotografiert. Digiscoping nennt man das. Die Vögel merken nicht, dass sie fotografiert werden und sind eigentlich immer tiefenentspannt. Besondere Bilder entstehen. Schaut man sich
hingegen Bilder an, wo Vögel mit Futter, Attrappen oder Vogelstimmen angelockt werden, wirken die Tiere oft gestresst oder übervorsichtig....
Die Bilder, welche ich dort auf meiner Homepage gezeigt habe, waren hauptsächlich digiskopiert. Also mit einer
Digitalkamera durch ein
Spektiv (
Fernrohr) fotografierte Bilder. Durch
diese Technik erreicht man riesige Brennweiten, und kann kleine
Vögel aus 10 Metern oder mehr fotografieren. Eine Tarnung ist oft nicht nötig und die Tiere bemerken einen nicht. Sie
wirken entspannt auf den Bildern. So fotografiert heutzutage aber keiner mehr, denn die digiskopierten Bilder sind meist nicht sehr hoch aufgelöst. Der Autofokus arbeitet zudem recht langsam - wenn überhaupt. Heute wird anders fotografiert. Die
Vögel werden auf den passenden Ast gelockt, dann aus nächster Nähe mit neuesten Kameras mit Serienbildgeschwindigkeiten von 10 oder mehr Bildern förmlich abgeschossen. Oft bekommen die
Vögel - bedingt durch die Nähe -
kleinere Geräusche mit, die aus der Tarnung nach außen dringen. Sie wirken vorsichtig. Oder verstört, zum Beispiel durch Rufimitationen mit welchen sie gelockt wurden. So sehen sie dann oft auch auf den Bildern aus. Aber es scheint den meisten Betrachtern der Bilder nicht aufzufallen. Oder es ist ihnen egal. Hauptsache riesig im Bild - auf dem perfekten Ast, jedes Federchen ist zu sehen, und dazu noch irgendwas Spektakuläres im Bild.
Wenn Vogel auf Ast zu langweilig wird, dann tut es auch ein Vogel auf der Gartenharke. Oder ein Eisvogel auf einem "Fischen verboten"-Schild. Oder ein Specht der seine Nüsse aus dem Wasser fischt. Alles ist machbar... Aber mit "Natur"fotografie hat das dann oft nichts mehr zu tun.
Die Mehrheit der Bilder, welche man heute so vorgesetzt bekommt, sind so entstanden. Es ist fast alles arrangiert und so gut wie nichts wird mehr dem Zufall überlassen. Kein Zweifel, viele Bilder sehen klasse aus. Aber es ist keine Naturfotografie mehr - es ist
Tierfotografie.... Mache ich auch manchmal - for fun - , eben auch bei diesen Harkenbildern. Einen
großen Wert haben die Bilder für mich dann aber nicht...
Alles arrangiert - für den Klick, den Daumen, für Bewunderung
Aber warum ist es so gekommen? Sicherlich auch durch die sozialen Netzwerke, in denen es nur noch um Klicks und Likes geht. Für viele Menschen besteht das halbe Leben nur noch aus Klicks und Likes. Ich kenne Menschen, welche die Naturfotografie nur deshalb betreiben, um abends ein gutes Bild für das Fratzenbuch zu haben (ja , Fratzenbuch ist mittlerweile so
mächtig, dass man aufpassen muss, wenn man den Namen im Zusammenhang mit etwas Negativem ausschreibt). Und da dort sehr viele Hobbyfotografen unterwegs sind - darunter
auch richtig gute - muss man selber natürlich besser sein, um nicht in der Masse unterzugehen. Ich denke, dies ist auch der Grund, für die immer besseren, spektakuläreren und
bunteren Bildchen im Social Network - um dies jeden Preis, jedes Mittel ist recht.
Es war wirklich ein atemberaubender Sonnenuntergang an der Flensburger Förde. Dennoch musste das Bild zusätzlich
noch etwas aufbereitet werden, damit es vorzeigbar ist. Vor wenigen Jahren wäre ich nie auf die Idee gekommen, außer ein paar Anpassungen an der
Gradiationskurve und der Sättigung etwas am Bild zu bearbeiten. Und im Vergleich zu anderen Landschaftsfotografen ist das hier noch gar nichts. Es würde quasi als
unbearbeitet durchgehen.
Man schaue sich nur einmal die Bilder der
Landschaftsfotografen im Fratzenbuch an. Bunter und spektakulärer um jeden Preis. Da werden
Sonnenuntergänge hervorgezaubert, die es
so nie gegeben haben kann. Da wird so extrem am Weißabgleich gespielt, dass völlig surreale Farbstimmungen entstehen. Der Weißabgleich wird für verschiedene Bildpartien
völlig unterschiedlich eingestellt. Im Dunkeln liegende Bildbereiche so stark aufgehellt, das sie heller als die im Licht liegenden Bereiche sind. An den Farben
wird so extrem gedreht, dass sie fernab jeglicher Realität liegen. Ist die Realität denn so Scheiße, dass sie nicht mehr abbildenswert ist? Es passt wunderbar in
unserer Gesellschaft. Schneller, besser, spektakulärer...
... Die Realität reicht den meisten nicht mehr ...
Was wäre, wenn sich jemand in ein paar 100 Jahren die Bilder anschauen würde. Und dieser Jemand nicht wüsste, dass die Bilder seinerzeit stark aufgehübscht wurden.
Er wäre wahrscheinlich frustriert von seiner gegenwärtigen Realität, die im Gegensatz zu der vor 100 Jahren geradezu grau in grau wirkt. Später wird man aufgrund
der vielen extrem bearbeiteten Bilder gar nicht mehr wissen können, wie es "damals" wirklich einmal aussah.
Ich vermisse ein wenig die richtige Naturfotografie, bin irgendwie übersättigt mit "perfekt arrangierter Natur", übersättigt von Extrembearbeitung...
Eine Bachstelze auf dem Misthaufen - sie räkelt und streckt sich nach einem Sonnenbad. Tiefenentspannt und völlig natürlich. Nichts
ist für das Bild arrangiert worden.
Aber wirklich gute Naturfotografie ist selten zu finden, dieses Ding zwischen Knipserei des Vorhandenen und dem Arrangieren vom Gewünschten. Dieses "Sehen" eines perfekten
Motivs und dem Umsetzen des Gesehenen in ein gutes Foto. Das gab es mal häufiger, das macht kaum noch einer... Auch, weil die große Masse nach Kitsch giert...
Social Media
Und sicher sind daran auch die Sozialen Netzwerke schuld, in welchen es um Aufmerksamkeit, Likes und Bewunderungen geht. Selbst seriöse Seiten betreiben Werbung und generieren Klicks mit reißerischen - oft mehr als irreführenden - Überschriften. Click-Baiting nennt sich das wohl. Auf "normale" sachliche Überschriften und normal betitelte Videos im Netz
klickt anscheinend keiner mehr. Genau sieht es anscheinend auch in der Naturfotografie aus. "Normal" geht auch hier nicht mehr...
In Zeiten von Corona - Coronablau
Der große Knall im Frühjahr 2020. Es bahnt sich ein Virus seinen Weg über alle Kontinente und legt ganze Länder lahm. Es tötet tausende Menschen, bringt das Gesundheitssystem
zum Kollabieren und verursacht eine Wirtschaftskrise. Aber es bringt die Menschen auch zum Nachdenken, zumindest einige wenige - das hoffe ich doch. Es gibt Ausgangssperren,
Kontakteinschränkungen. Es werden wieder andere Dinge wichtig. Und man hat Zeit zum Nachdenken. Nachdenken darüber, ob vorher nicht so einiges schief gelaufen ist, mit dieser
Gesellschaft, die nach immer mehr schreit. Größer, schneller, besser. Und in dieser Zeit, wo die Menschheit mit all Ihrem Wahnsinn kurz pausiert, da bemerkt man, es verändert sich etwas. In Italien wird in Venedig das Wasser in den Kanälen wieder klar. Das Wetter verändert sich binnen Tagen. Zufall? Nicht nur. Der Himmel erstrahlt über fast
ganz Europa so blau wie seit weit über 50 Jahren nicht mehr, da keine Kondensstreifen das Blau des Himmels trüben. Haben wir nicht eigentlich ein Recht auf diesen Himmel? Wer
erlaubt den Fluggesellschaften denn, den Himmel über uns so unansehnlich einzugrauen?
Ein solch perfekt blauen Himmel wird es nach Corona wohl nie mehr geben. Genießen wir ihn. Zeigen wir unseren Kindern,
wie der Himmel früher einmal ausgesehen haben könnte. Und sagen wir Ihnen jetzt schon, dass sie, dank uns, so etwas wahrscheinlich nie wieder sehen werden können. Denn
Corona geht vorbei - leider...
Und oft sind auch genau die Schuld, die am meisten darüber klagen. Über den Klimawandel, die Umweltverschmutzung, die Zerstörung von Lebensräumen.
Die angeblichen Naturfreunde, die für ein paar spektakuläre Fotos um die halbe Welt
fliegen. Und zwar nicht nur ein- oder zweimal im Leben, sondern jährlich.
Die für die Aufnahme eines seltenen
Vogels mehrere hundert Kilometer fahren, um sich in die Reihe mit etlichen anderen Fotografen zu stellen. Und dann den Wiedehopf, die Sumpfohreule, das Thorshühnchen oder was auch immer fotografieren und dabei sogar bedrängen. Und selbst "in Zeiten von Corona" - wie man es momentan so oft hört - wo alle gebeten
werden zuhause zu bleiben Da fahren sie lustig durch die Gegend, Ihren Fotozielen entgegen. Nicht mal eben um die Ecke. Egal wie weit... Ansonsten hätte man ja nichts Spektakuläres bei Facebook zum Vorzeigen.
Ein befreundeter
Fotograf teilte auf Facebook in etwa folgenden Text (habe ihn übersetzt) : "Warum fahren so viele meiner Freunde in der Gegend herum um zu fotografieren. Es wurde darum gebeten, alle unnötigen Reisen zu vermeiden. Was wenn ihr einen Unfall hättet und Krankenwagen etc. rufen müsstest. Vielleicht käme dann die Antwort, dass keine
Kapazitäten mehr vorhanden sind. Es ist mir unverständlich. Bleibt bitte zuhause..."
Ich habe diesen Beitrag geteilt, weil ich bei so vielen ein ähnliches Verhalten sehe. Das ist mit Abstand der Beitrag mit den wenigsten Likes, welchen ich je veröffentlicht habe. Ja, alle wollen saubere Luft und die Klimakatastrophe verhindern. Aber kaum einer will da auch nur ein wenig zurückstecken. Nicht einmal für ein paar Tage. Die, die
am lautesten Schreien, anscheinend am wenigsten. Nicht mal jetzt, wo es noch andere triftige Gründe gibt, zuhause zu bleiben. Nämlich Menschenleben zu retten, die
Kapazitäten im Gesundheitssystem nicht unnötig zu belasten - nicht einmal jetzt können manche darauf verzichten. Das ist mir unverständlich. Da schäme ich mich fremd.
Und es ist mir schon klar, dass ich mir mit diesem Beitrag keine Freunde mache. Das macht man nie, wenn man anderen den Spiegel vorhält. Und gerade die Personen, die
sonst selber anderen den Spiegel vorhalten, können es anscheinend am wenigsten vertragen.
Aber es passt wunderbar in diese "Schneller, besser, was-weiß-ich-Zeit", in die Zeit, wo nur noch Superlative zählen
Verdrehte Realität...
Ich werde mir jetzt also weiterhin Bilder anschauen, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben, von Leuten, die für Ihre Fotos Tonnen von CO2 in die Luft pusten, und nebenbei
dann dazu aufrufen, Petitionen für den Klimaschutz,
Naturschutz etc. zu unterzeichnen.
Nein, da gibt es tatsächlich noch die wenigen Fotografen, wo ich spüre, dass sie lieben und schützen, was sie fotografieren. Dass sie mindestens soviel an die Natur zurückgeben,
wie sie nehmen. Deren Bilder ehrlich sind. Die sich nicht an Hetzjagden beteiligen, wo 10 oder mehr Fotografen einem
Vogel hinterherhetzen. Die nicht um jeden Preis dieses eine
Foto haben müssen. Bei denen die Fotografie nur ein Teil des Hobbies ist. Die vielleicht Kartographieren und eventuell sehen und entdecken, was sonst übersehen werden würde.
Ich wünschte, diese Art der Fotografie und diese Art der Fotografen würden mehr werden. Und ich wünsche, dass ich niemals vom Virus - dem Virus der Superlative - infiziert
werde. Oder zumindest aber der Verlauf leicht - sehr leicht - sein wird...
Artikel erschienen am 09.04.2020